Christian Flisek im PNP Interview: "Rot passt als Krawattenfarbe - und auch politisch"

Veröffentlicht am 26.02.2013 in Allgemein

Der Passauer Unterbezirksvorsitzende und Vorsitzende der SPD Niederbayern Christian Flisek im PNP Interview:

MdB-Kandidat mit guten Aussichten und frischgewählter Bezirksvorsitzender – das sind keine kleinen politischen Baustellen, sondern eher Tätigkeiten in Richtung Berufspolitiker. Macht Ihnen der Rechtsanwalts-Job keinen Spaß mehr?

Christian Flisek: "Im Gegenteil. Der Anwaltsberuf macht mir sogar sehr viel Spaß. Ich werde daher auch versuchen, Anwalt zu bleiben, solange es zeitlich und rechtlich möglich ist. Sollten die Wähler mich im Herbst in den Bundestag wählen, werde ich meine ganze Arbeitskraft natürlich zunächst meiner politischen Arbeit im Bundestag widmen. Allerdings halte ich es für wichtig, dass man sich auch als Berufspolitiker seine Unabhängigkeit bewahrt. Und dazu gehört auch, dass man sich die Möglichkeit offen hält, jederzeit in seinen Beruf zurückzukehren. Als Beamter kann man das ganz gut. Als selbstständiger Freiberufler, wie in meinem Fall, ist das schon schwieriger. Aber ich habe das große Glück, hier in der Kanzlei tolle Kollegen zu haben, die mir den Rücken freihalten.
 

Außerdem sorgt eine berufliche Tätigkeit auch für die nötige Bodenhaftung eines Politikers. Es wird ja oft darüber geschrieben, dass die Abgeordneten den Kontakt zum normalen Leben verlieren. In einer Anwaltskanzlei jedenfalls besteht die Gefahr bestimmt nicht. Hier ist man täglich mit der ganzen Bandbreite der Probleme konfrontiert, die das Leben so mit sich bringt. Sollte ich jedoch irgendwann einmal Staatssekretär werden, wie zum Beispiel Herr Scheuer (lacht), dann müsste ich mich schon aus rechtlichen Gründen endgültig entscheiden."

"Michael Adam hat gezeigt: Leute, alles ist möglich" Warum haben Sie sich für diese beiden Ämter und Aufgaben entschieden?

"Ich hatte ja bereits 2009 für das Europäische Parlament kandidiert. Und obwohl die Aussichten auf ein Mandat sehr gering waren, habe ich mich im Wahlkampf sehr engagiert, weil es mir um die Sache ging. Viele Kollegen haben daraufhin gesagt, ,Mensch, du hast bei der Europawahl so viel Gas gegeben, du musst unbedingt am Ball bleiben.‘ Das hat mich motiviert weiterzumachen. Bei der Bundestagswahl trat dann kurz darauf die unerwartete Situation ein, dass Jella Teuchner (langjähriges SPD-MdB, d. Red.) nicht mehr in den Bundestag gewählt wurde. Das war für die Passauer SPD ein schwerer Schlag, der es notwendig machte, sich personell neu aufzustellen. Ich wurde zum Unterbezirksvorsitzenden gewählt, mit der Option, auch bei der Bundestagswahl in diesem Jahr wieder anzugreifen.

Um das Amt des Bezirksvorsitzenden habe ich mich ehrlich gesagt nicht gerissen. Aber ich will natürlich nicht nur Verantwortung übernehmen, wenn die Sonne scheint. Wie Sie wissen, haben wir im Bezirk einige Reibungspunkte, wie jüngst zum Beispiel die Auseinandersetzung zwischen meinem Vorgänger Landrat Michael Adam und unserem Landesvorsitzenden (Florian Pronold; d. Red.). Da wurde jemand gesucht, der den Laden zusammenhalten kann. Mir kommt dabei zugute, dass ich auch ausgebildeter Mediator bin, der gelernt hat, den Menschen erst einmal zuzuhören. Das ist derzeit die Hauptaufgabe, die ich als Bezirksvorsitzender der SPD Niederbayern sehe: miteinander reden und integrieren."

Ist es seit den Erfolgen eines Michael Adam (28; zunächst Bürgermeister Bodenmais, jetzt Landrat Regen – jung, homosexuell, evangelisch; d. Red.), der seit zwei, drei Jahren bundesweit durch die Gazetten wandert, einfacher, in Niederbayern SPD-Politik zu machen?

"Mit Sicherheit. Durch seine Entschlossenheit und seinen Erfolg ist er für uns eine große Inspiration. Es ist durch ihn auch einfacher geworden, die eigenen Mitglieder noch besser zu motivieren. Michael hat gezeigt: Leute, alles ist möglich. Es hängt nur von uns selbst ab, von guten Kandidaten, von den richtigen Inhalten und davon, wie wir mit den Menschen reden. Wenn wir das hinbekommen, dann ist - siehe Michael Adam - vieles möglich.

Ich habe zum Antritt meiner Bundestagskandidatur gesagt: Ich will keinen reinen Zweitstimmen-Wahlkampf führen, nach dem Motto, ich habe einen guten Listenplatz, da kann nicht viel passieren. Nein: Ich möchte weder der CSU noch der FDP das Direktmandat auf dem Silbertablett servieren. Ich will ja nicht nur für die Inhalte der SPD werben, sondern auch für mich als Person."

Inwieweit kann der zehn Jahre jüngere Parteikollege Adam (28) auch für Sie ein kleines Vorbild sein?

"Ich habe Michael vor allem als einen leidenschaftlichen Politiker kennengelernt. Und ich finde: Politik ist das Bohren dicker Bretter. Und wenn man eine Sache erfolgreich vertreten will, dann gehört auch viel Leidenschaft dazu. Er hat auch viel Empathie gezeigt. Gerade beim Landrats-Wahlkampf nach dem Tod seines Vorgängers Heinz Wölfl waren die Bedingungen nicht einfach, eher sehr traurig. Das hat er als 28-Jähriger bisher mit Bravour gemeistert. Ihm stehen sicher noch viele Möglichkeiten und Türen offen. "

Sie werben auf Ihrer Kanzlei-Homepage auch mit der speziellen Ausbildung eines meist eher schlichtenden Mediators – heißt das, dass Sie als Jurist anders vorgehen als als Politiker, wo eher die direkte Attacke und die verbale Grätsche auf der Tagesordnung stehen?

"Ich kann beides, das Schlichten und den Angriff. Aber so wie es auch im Gerichtssaal manchmal staubt, kann es freilich auch in der Politik stauben. Das finde ich auch in Ordnung, solange es nicht zu persönlich wird und man den Beteiligten auch danach noch in die Augen schauen und vernünftig miteinander reden kann. Ich bin auch nicht der Typ für die verbale Blutgrätsche.


"Kraftmeierei in der Politik wird ohnehin nicht mehr gewünscht"

Ich glaube auch, dass die große Kraftmeierei in der Politik von den meisten Bürgern ohnehin nicht mehr gewünscht wird. Die Leute wollen authentische Politiker und keine Kabarettisten. Sie wollen Politiker, die Lösungen für die aktuellen Probleme ihrer Stadt oder ihrer Region anbieten und sich nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen. Die letzten Wahlen zeigen ja, wie sehr sich die politischen Blöcke auflösen. Da gibt es viel Bewegung bei den Wählern. Ich will das für die SPD nutzen."

Warum hat Bayern eine reale Chance auf den Regierungswechsel, wie Sie dies bei der Bezirksvorsitz-Wahl in Passau ins Feld führten?

"Am Ende ist es natürlich immer die Frage, wie man eine Mehrheit hinbekommt. Für einen Regierungswechsel werden wir eine Koalition aus den drei Oppositionsparteien SPD, Grüne und Freie Wähler brauchen. Die Zusammenarbeit funktioniert schon jetzt sehr gut, wie wir beim Volksbegehren gegen die Studiengebühren erfolgreich bewiesen haben. Da stimmt die Chemie. Zur Zeit trennen uns von der CSU nur drei bis vier Prozent. Außerdem ist die derzeitige Regierungskoalition in vielen Sachfragen ganz offensichtlich orientierungslos und für die FDP wird es sehr schwierig werden, wieder in den Landtag einzuziehen. Mit unserem Spitzenkandidaten Christian Ude stellt die SPD den mit Abstand beliebtesten Politiker in Bayern. Und zumindest hat der Politische Aschermittwoch, wo 5000 reale und nicht nur gefühlte Menschen von Ude und Steinbrück begeistert waren, gezeigt, dass die SPD mit der CSU auf Augenhöhe ist."

Wie kann Passau von Ihrem Bezirksvorsitz profitieren?

"Man spricht häufig etwas verächtlich von den "Bezirksfürsten", weil die Bezirksvorsitzenden automatisch auch dem Präsidium der Bayern-SPD angehören. Und dort werden natürlich die richtungsweisenden Sach- und Personalentscheidungen getroffen. Sollte es einen Regierungswechsel geben, werde ich mich dafür einsetzen, dass Niederbayern und insbesondere auch Passau personell gut vertreten ist. Aber auch inhaltliche Fragen stehen auf der Agenda. Etwa die Frage, wie sich unsere Grenzregion strategisch in Europa ausrichten soll. Dreiländer-Region oder Donau-Strategie? In puncto Tschechien haben sich meines Erachtens die Erwartungen 20 Jahre nach dem Fall des eisernen Vorhangs nicht erfüllt. So gehen die Verkehrsströme nach Tschechien meist um Niederbayern herum. Von Passau nach Prag − eigentlich eine übersichtliche Distanz – ist man mit dem Zug bis zu sieben Stunden unterwegs. Vor dem Zweiten Weltkrieg ging das schneller.

Auch das Interesse der Tschechen hat abgenommen, die Sprachbarriere spielt immer noch eine große Rolle. Für Passau hat die EU-Donaustrategie viel mehr Zukunftsperspektive. Interessanterweise verschläft auch hier die CSU-Staatregierung wieder einmal die Entwicklung, während etwa Baden-Württemberg dieses Thema massiv angeht. Der Bezirksvorsitz bietet hier aus meiner Sicht genau die richtige Ebene, die Dinge wieder anzuschieben."

Was gefällt einem in der Arbeiter-Metropole Bochum geborenen Sozi besonders gut im eher konservativen Niederbayern und in Passau? Wo gibt es gewaltiges Verbesserungspotenzial?

"Eines vorweg: Ich bin zwar in Bochum geboren, aber in Reichenhall aufgewachsen und zur Schule gegangen, habe bei den Gebirgsjägern meinen Wehrdienst absolviert. Durch meine Familie kenne ich aber die Menschen im Ruhrgebiet sehr gut. Obwohl das Ruhrgebiet seit Jahrzehnten stark industriell und Niederbayern bis heute landwirtschaftlich geprägt ist, haben die Menschen doch eines gemeinsam: Die grundständige und ehrliche Art an die Dinge heranzugehen. Ich sehe das auch oft in meinem Beruf als Anwalt. Die Niederbayern liefern ehrliche Arbeit ab und sie sind sehr entspannt. Deswegen bin ich nach meinem Studium auch in Passau geblieben. Es gibt nichts, worauf man hier verzichten müsste."

Wo gibt es – trotz eines SPD-OB – Nachholbedarf in Passau? Beziehungsweise: Was würden Sie als gewählter SPD-MdB in Berlin im Sinne ihres Wahlkreises vorantreiben wollen?

"Da liegen mir vor allem zwei Bereiche am Herzen. Zum einen natürlich der Wirtschaftsstandort Passau, zum anderen aber auch das Kulturangebot. Wir müssen es schaffen, dass Niederbayern im Rest Deutschlands nicht nur als günstiges Urlaubsgebiet wahrgenommen wird, sondern auch als Region einer innovativen Wirtschaft und eines lebendigen Kulturlebens.

Ich bin seit vielen Jahren ein aktiver Befürworter eines Europäischen Hauses. Eine Stadt wie Passau braucht einen repräsentativen Ort für Kultur und Begegnung und zwar nicht nur für kulturelle Großveranstaltungen etwa im Rahmen der Europäischen Wochen, sondern für die ganze Bandbreite des kulturellen Lebens. Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir im Wettbewerb mit Städten wie Regensburg und Linz stehen. Die sogenannten weichen Standortfaktoren werden auch im Wettbewerb um Fachkräfte und bei Unternehmensansiedlungen immer wichtiger.

Und wenn man bedenkt, dass Passau jedes Jahr der Ausgangspunkt für viele tausende Donautouristen ist, dann wird klar, dass wir da bislang ein ungeheures Potenzial vernachlässigen. Leider wurde bei der Umsetzung der Neuen Mitte eine große Chance vertan. Aber eines sage ich auch ganz deutlich. Ich habe großen Respekt davor, wie die Stadt in Zeiten knapper Kassen ihr Geld verwendet. Insofern würde ich mir beim Europäischen Haus auch ein viel breiteres bürgerschaftliches Engagement wünschen.

Und zu Ihrer Frage, was ich von Berlin aus für Passau vorantreiben könnte: Ich würde sehr gerne in den Wirtschaftsausschuss gehen, aber das entscheidet man natürlich nicht alleine. Ich könnte dort meine Expertise als Fachanwalt für Patent-, Marken-und Urheberrecht einbringen, aber auch bei Unternehmensgründung. Gerade bei Unternehmensgründungen muss sich in der Region noch viel mehr bewegen.

Ich denke, dass gerade die Region Passau bislang zu wenig von der Universität profitiert. Passau ist zu häufig nur Durchgangsbahnhof für die Studierenden. Ich selbst bin da ja eher eine Ausnahme. Wir müssen es schaffen, das Talente-Potenzial der Universität etwa durch Gründungsinitiativen besser für die Region zu nutzen. ,Technik plus’ ist ein wichtiger Schritt. Aber auch die Erfolgsgeschichte von Unternehmensgründungen wie etwa ,mymuesli’, die in den letzten Jahren viel am Standort Passau investiert und Arbeitsplätze geschaffen haben, muss viel stärker herausgestellt werden. So etwas hat unglaublichen Vorbildcharakter für junge motivierte Leute. Wir müssen aus Passau und der Region einen Kreativstandort machen."

"Bestimmt zehn Krawatten in allen Rot-Schattierungen"

Apropos Passauer Belange - werden Sie 2014 auch als Stadtrat kandidieren?

"Das entscheidet die Passauer Stadt-SPD. Ich sag es mal so: Ich stehe zwar grundsätzlich zur Verfügung, gebe aber zu bedenken, dass es auch eine Frage der Seriosität ist, inwieweit man neben einem Bundestagsmandat gleichzeitig noch angemessen ein Stadtratsmandat bekleiden kann."

Das soll es aber geben...

"Ich ziehe meinen Hut vor denen, die das beides können. Aber damit beschäftige ich mich im Moment noch nicht. Meine volle Konzentration gilt dem anstehenden Wahlkampf, der mich schon jetzt voll und ganz auslastet."

Sie sind gut 14 Jahre - oder über zwei Legislaturperioden - jünger als der amtierende OB und Parteifreund Jürgen Dupper. Wäre OB in Passau für Sie irgendwann einmal ein Traumberuf?

(lacht) "Ich habe meinen Traumberuf als Rechtsanwalt gefunden und das bleibt er wohl auch. Gegenwärtig will ich mich voll auf die politischen Aufgaben konzentrieren, die vor mir liegen und die mich sehr motivieren. Zwar sind die politischen Ämter nur "auf Zeit" und man kann nie genau vorhersagen, was danach kommt, aber Jürgen Dupper ist ein hervorragender Oberbürgermeister, der so in Saft und Kraft steht, dass er dieses Amt auch noch in den nächsten Amtsperioden erfolgreich ausüben wird."

Sie ziehen jetzt in den Wahlkampf. Wie viele rote Krawatten haben Sie eigentlich im Schrank?

"Bestimmt zehn Stück und in allen Rot-Schattierungen (lacht). Aber das hat eher nichts mit der Parteifarbe zu tun. Die kauft meistens meine Frau. Sie findet, dass mir Rot sehr gut steht - als Farbe und politisch."


Das Interview führte Christian Karl.

Foto: Passau künftig auch politisch mehr im Blick: Christian Flisek, der in Passau eine Kanzlei betreibt, hat neben der Gesetzessammlung auch SPD-Interessen stets parat. Als frischgewählter Bezirksvorsitzender tritt er aktuell auch als Bundestags-Direktkandidat an. (Foto: Thomas Jäger)


VITA CHRISTIAN FLISEK
Christian Flisek ist nach seinem Jura-Studium in der Dreiflüssestadt geblieben und betreibt in der Innstadt eine Anwalts-Sozietät. Der 38-Jährige wuchs in Bad Reichenhall auf, wo er auch sein Abitur machte, und kam 1993 zum Studieren nach Passau. Ironischerweise spielte der Passauer Politiker Dr. Max Stadler (FDP-MdB, Staatssekretär und Stadtrat) beim beruflichenWerdegang Fliseks eine gewisse Rolle. Während Fliseks anfänglichen BWL-Studiums gab der damalige Richter Stadler auch Gastvorlesungen in Recht, die für BWL-Studenten Pflicht zur Erlangung eines vorgeschriebenen Scheins waren. „Die Qualität seiner Vorlesung war nicht unwesentlich daran beteiligt, dass ich von BWL auf Jura umgeschwenkt bin“, sagt Flisek und lacht. Seit 1990 bereits ist Flisek SPD-Mitglied. In den vergangenen Jahren hatte er verschiedene Funktionärstätigkeiten auf lokaler Führungsebene inne. Seit zweiWochen ist er SPD-Bezirksvorsitzender. Zudemgeht er gerade als SPD-Direktkandidat und ausgestattet mit dem vielversprechenden Listenplatz 13 ins Rennen um ein Bundestagsmandat. Der begeisterte Berg-Fan, der jede freie Minute nahe und auch entferntere Anhöhen ansteuert, ist verheiratet. Seine spanische Frau hat er an der Uni Passau kennengelernt. - ck

Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse.

 

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